Das Alevitentum ist eine spezifische Islaminterpretation, welches über Jahrhunderte erhalten blieb, obwohl sie immer wieder Unterdrückungen ausgesetzt war.

Die Wahrhaftigkeit und die Ehrlichkeit der Menschen spielen im Alevitentum eine sehr große Rolle.

Beginnend mit der Ungerechtigkeit gegen Imam Ali, dem Massaker an Imam Hüseyin in Kerbela und die Erhängung von Pir Sultan Abdal, wurden und werden die Aleviten bis in unsere heutige Zeit weiterhin unterdrückt und massakriert.

Die Glaubensgemeinschaft der Aleviten blickt auf eine 1400 jährige Geschichte zurück. So wie man sie heute vorfindet, hat sie sich als Ergebnis eines sozio-politischen Prozesses zwischen dem 13. und 17. Jahrhundert in Anatolien entwickelt. Daher lässt sich das Alevitentum als eine spezifische Islaminterpretation kennzeichnen, die mit keiner anderen Richtung im Islam vergleichbar ist.

Nach der alevitischen Lehre erreicht der Mensch die Stufe des vollkommenen Menschen, wenn er auf dem Weg zur Gottesschau „vier Tore und vierzig Stufen“ durchläuft. Diese Lehre und die Liebe zur Prophet Muhammed und Imam Ali ist zentraler Bestandteil des Glaubens.

Nach dem Alevitentum gehen die moralischen Werte den religiösen Regeln vor, sind Grundvoraussetzung des menschlichen Miteinanders. Das Alevitentum sieht die Menschenwürde als höchstes gesellschaftliches Gut an. Das Alevitische Grundverständnis vom höchsten Stellenwert der Menschenwürde und des menschlichen Lebens verbietet es daher, andere zu verletzen oder deren Recht zu missachten.

Für die Aleviten gehen die moralischen Werte als Basis des gesellschaftlichen Miteinanders den religiösen Geboten vor, sie sind die Grundvoraussetzung einer jeden Gesellschaft. Die Menschenwürde und die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens stellt für Aleviten das höchste Gut dar. Aus diesem Grundverständnis heraus verbietet es sich für Aleviten andere zu verletzen oder anderem Unrecht zu tun.

Ein Alevite muss mindestens einmal im Jahr an einem Cem – Zeremonie teilnehmen und vor der alevitischen Gemeinschaft Rechenschaft ablegen.

Nach dem Grundverständnis der Aleviten wohnt Gott im Herzen eines jeden Menschen, es ist daher verboten, andere zu verletzen. Wer einen anderen verletzt, verletzt Gott, daher soll jeder Alevite anstreben, andere zu respektieren und zufrieden zu stellen. Gott wohnt allem inne und ist überall. Um sich Gott zu nähern, braucht es nach Alevitischem Grundverständnis keine Verhaltensregeln und besonderen Orte. Der Gläubige kann Gott jederzeit und überall rufen. Er sieht sich als ein Teil Gottes an (in jedem Menschen ist der Kern Gottes vorhanden). Der Alevite begegnet Gott nicht mit Angst, sondern mit Liebe.

Die Aleviten legen mehr Wert auf Inhalte als äußere Verhaltensregeln bzw. Zurschaustellung bestimmter Muster und Abläufe. Wichtig im Gebet mit Gott als auch im Miteinander der Gläubigen, ist die Reinheit des Herzens entscheidend.

Bei den Aleviten sind Mann und Frau gleichberechtigt. So wie Frauen im täglichen Leben gleichberechtigt mit den Männern sind, so nehmen sie auch in den Cem-Zeremonien gleichberechtigt teil. Alevitische Männer und Frauen kennen keine Geschlechtertrennung in den Cem`s, sie werden in der Zeremonie als Einheit gesehen und nicht auf Geschlechter reduziert.

Aus Ihrem Grundverständnis von der Gleichheit von Mann und Frau treten Aleviten gegen jegliche Geschlechtertrennung bzw. Diskriminierung ein. Die Alevitische Frau nimmt den ihr gleichberechtigt zustehenden Platz in der Gesellschaft ein.

In den letzten Jahrzehnten haben auch die Aleviten gesellschaftliche Umstrukturierungen hinnehmen müssen. Aleviten zeichneten sich früher dadurch aus, dass sie vorwiegend in ländlichen Gegenden lebten, landwirtschaftlich tätig und von der Außenwelt auch durch Verfolgung und Pogrome abgeschnitten waren. Aufgrund der vermehrten Abwanderung der letzten 30 – 40 Jahre, haben sie sich sowohl in der Türkei als auch im Ausland in Städten niedergelassen.

Während in den kleinen Dorfgemeinschaften auch wegen staatlicher Repressalien keine Cem-Häuser errichtet werden konnten und das religiöse Leben in den Häusern der Geistlichen oder anderer abgehalten wurde, sind in den letzten Jahrzehnten sowohl in der Türkei als auch in den Alevitischen Gemeinden außerhalb der Türkei vermehrt Cem-Häuser errichtet worden. Sie dienen dazu, auf der einen Seite die religiösen und auf der andren Seite die kulturellen Bedürfnisse der Aleviten zu befriedigen. Sowohl die zunehmende Anzahl der Cem-Häuser als auch die immer mehr fortschreitende Organisation/ Verflechtung der Alevitischen Vertretungen in Verbände, zeigt das Bedürfnis und das Interesse der Aleviten an der Alevitischen Lehre und der Alevitischen Kultur. Insbesondere ist sie auch ein Zeichen dafür, dass der türkische Staat bis heute die religiösen Empfindungen eines Drittels seiner Bevölkerung missachtet hat.

Die Weltanschauung der Aleviten ist geprägt vom humanistischen Denken und dem gleichberechtigten Miteinander aller Menschen. Ein Grundgedanke des Alevitentums lautet: Betrachte alle Nationen als eine einzige: „Her millete ayni gözle bak“.