Folgende Tage im Jahr bewegen die Aleviten – je nach Anlass- zu besonderer Freude oder auch zur Trauer. Diese Feste und Andachten werden unten aufgelistet:

Opferfest

Das Opferfest (türk. Kurban bayramı) ist beweglich und da es vom Mondkalender bestimmt wird, wird er im Folgejahr immer zehn Tage vorgezogen. Es hat für die Aleviten – wie für alle islamischen Konfessionen – eine wichtige Bedeutung. Das Fest erinnert an Abraham (türk. Ibrahim) und seine Bereitschaft, seinen Sohn Ismail für Gott zu opfern. Laut der religiösen Erzählung war dies jedoch eine Prüfung für Abraham. Bevor er tatsächlich Ismail opfern wollte, wurde ihm mitgeteilt, dass ihm ein Nutztier zukommen wird, um es statt seines Sohnes zu opfern. Abraham hat das Tier geopfert und somit die Prüfung bestanden. Diese Handlung zwischen Gott und Abraham wird in der religiösen Wahrnehmung als Symbol für die Rettung der ganzen Menschheit betrachtet. In Anlehnung an diese religiöse Tradition werden als Dank jedes Jahr Nutztiere (Lamm, Vieh etc.) geschlachtet und das Fleisch unter den Armen und Bedürftigen verteilt. In großen Städten kommen die Menschen in den Cem-Häusern zusammen, feiern und essen gemeinsam. Aus sozialer Sicht ist das Fest für die Aleviten ein Anlass,
an Arme und Bedürftige zu denken und ihnen Geschenke zu machen. Statt die Schächtung eines Tiers können auch für bedürftige Menschen Spenden gesammelt bzw. karitative Initiativen unterstützt werden.

Nevruz oder Newroz Fest (21. März Geburtstag von Hz. Ali)

Der Begriff Newroz wird sowohl in der persischen als auch in der kurdischen Sprache als Synonym verwendet und bedeutet neuer Tag (New/Neu – Roz/Tag). Im Alevitentum wird Nevruz am 21. März eines jeden Jahres unter anderem als Geburtstag des Heiligen Ali gefeiert. Die alevitischen Gemeinden organisieren an dem Tag ein gemütliches Beisammensein und dabei wird das Leben von Imam Ali und seiner Lehre vorgetragen, sowie die Bedeutung und soziale Funktionen von Festen hervorgehoben. Die Bektaschi –Aleviten feiern das Fest Nevruz am Abend in einem Gottesdienst. Dort werden Lieder (Nevruziye) vorgetragen und der religiöse Semah–Tanz vollzogen. Der Tag Nevruz ist nicht nur für die Aleviten ein wichtiges Fest, sondern auch in anderen Kulturen und Gemeinschaften ein gängiger Feiertag.

Dieses Fest wird von Mittelasien bis zum Balkan gefeiert aber vor allem  von den kurdischen und persischen Völkern mit besonderer Freude vollzogen. In der kurdischen Geschichte ist Nevruz mit einer großen Legende verbunden. Diese Legende handelt von dem Schmied Kawa (Demirci Kawa), der den zu seiner Zeit herrschenden Tyrannen besiegte und das Volk befreite. Somit wird Nevruz auch als Symbol des erfolgreichen Wiederstandes gegen die Unterdrückung  betrachtet.

Von den Persern wird Nevruz als Neujahr, von den Völkern in Mittelasien, Balkan und Naher-Osten als Symbol für Fruchtbarkeit und Hoffnung gefeiert. In jeder Kultur
hat dieses Fest jeweils  einen anderen Stellenwert bzw. thematischen Schwerpunkt und wird  mit anderen Hintergründen gefeiert.

Nach den mythologischen Überlieferungen der Aleviten zu Folge haben auch wichtige geschichtliche Ereignisse am Nevruz Tag stattgefunden, wie z.B.  die Geburt von Imam Ali, die Eheschließung von Ali und Fatma, das Reinigen der Kaaba von Götzen durch Ali, die Errettung der Arche Noah, das Zerschlagen der Götzen durch Abraham, die Vollendung der Schöpfung etc.

Hizir Ilyas Fest (Hidirellez)

Hidirellez wird von Zentralasien, im Mittleren Osten und über den Balkan breitflächig gefeiert. Das Fest beginnt in der Nacht vom 5. auf den 6. Mai und dauert zwei Tage an. Laut der mythologischen Legende ist es die Zeit, in der die Zusammenkunft der beiden Propheten Hizir und Ilyas stattfindet. Der Sage nach treffen sich Hizir (der Schutzengel auf dem Land) und Ilyas (der Schutzengel auf dem Meer) in der Nacht vom 5. auf den 6. Mai auf der Erde. In dieser Nacht werden Himmel und Erde eins und die Kraft der Schöpfung offenbart sich. Man glaubt, dass Hizir und Ilyas das so genannte Wasser zu Ewigkeit (Abu Hayat) tranken. Aus diesem Glauben heraus bitten viele Menschen an diesem Tag um Gesundheit und Genesung. Am 6. Mai werden verschiedene Teigwaren gebacken und zusammen gefeiert. Genauso wie die anderen Feste erfüllt Hidirellez die Menschen mit Hoffnung und Fröhlichkeit.

Muharrem – Fasten (Muharrem veya Matem orucu)

Der erste Monat im islamischen Kalender wird Muharrem genannt. Da das Fasten in dem Monat Muharrem stattfindet, bezeichnen die Aleviten diese Fastenzeit als Muharrem–Fasten. Das Fasten orientiert sich nach dem arabischen Kalender und ist von daher beweglich (Beginn: 20 Tage nach dem 1. Opferfesttag). Es beginnt immer zehn Tage später als im Vorjahr. Durch die zwölftägige Trauerzeit zeigen die Aleviten ihre Verbundenheit mit dem Imam Hüseyin (Enkelsohn des Propheten Muhammed), der im Jahre 680 n. Chr. in Karbala (eine Provinz in Irak) durch die Machthaber der Omaijaden-Dynastie   ermordet wurde. Um seinen Leidensweg nachzuempfinden, wird bei der Trauer gefastet und Enthaltsamkeit geübt. Später wurden auch weitere Nachkommen der Prophetenfamilie (Ehl-i Beyt) von der Omaijadendynastie ermordet. Zu Ehren weiterer Imame (Nachfahren des Propheten Muhammed) wird deshalb zwölf Tage gefastet.

Die beispiellose Widerstandsleistung von Imam Hüseyin gegen die Ungerechtigkeit von Yazid, einer der schrecklichsten Gestalten der Omaijadendynastie, hat für die Aleviten einen sehr großen Symbolcharakter. Imam Hüseyins Wiederstand gegen die Ungerechtigkeit bzw. sein Gerechtigkeitssinn wird in der alevitischen Erziehung in Form von ethischen Maximen gelehrt.

Das Muharrem-Fasten und das Nachempfinden von Hüseyins Leidensweg ist für die Gläubigen einer der wichtigsten Grundpfeiler ihrer Glaubenstradition. Das Fasten ist keine absolute Pflicht, aber je nach körperlicher Verfassung und persönlichen Umständen beträgt es zwölf Tage. Nach dem Abendessen wird nichts mehr gegessen und getrunken bis nach Sonnenuntergang des folgenden Tages. Das Essen am Abend ist dann sehr einfach und nicht übermäßig, denn die Enthaltsamkeit ist immer der zentrale Punkt.

Es wird in keiner Form Fleisch verzehrt; man achtet sehr darauf, dass kein Blut fließt. Streitigkeiten werden vermieden, keinem Lebewesen wird Leid zugefügt, auch die Natur wird dementsprechend behandelt. Die Gläubigen halten sich von jeglichem Vergnügen fern und es werden keine Feier, Hochzeiten, Verlobungen etc. durchgeführt.

Während der Fastenzeit schaffen die alevitischen Gemeinden die Möglichkeit, dass die Gläubigen zum Fastenbrechen in den Cem-Häusern zusammenkommen. Die Mitglieder in Gemeinden organisieren in Kooperation mit der Gemeindeleitung das Essen und die Getränke. Geistliche und Referenten berichten über religiöse Themen und beantworten die Fragen der Menschen. Die Fastenzeit verläuft für die Aleviten sehr besinnlich und stärkt das Gemeinschaftsgefühl.

Nach 12-tägigem Fasten wird die Süßspeise Aşure gekocht und als Symbol der Dankbarkeit unter Bekannten, Verwandten sowie Nachbarn verteilt und gemeinsam gegessen. Aleviten bringen damit ihren Dank zum Ausdruck, dass Zeynel Abidin, der Sohn von Imam Hüseyin trotz seiner Krankheit das Massaker von Kerbela als Kind überlebte. Aşure ist eine aus zwölf verschiedenen Zutaten bestehende Süßspeise. Die Zutaten können variieren, aber sie müssen Zwölf an der Zahl sein, denn diese symbolisieren die 12 Imame. Es sind z.B. Weizen, Bohnen, Kichererbsen, getrocknete Trauben, Haselnüsse, Pistazien, Mandeln, Feigen, Aprikosen, Walnüsse usw.

Die Aleviten feiern den Asuretag sowohl in den Gemeindehäusern als auch an öffentlichen Plätzen und verteilen diese Süßspeise an die Menschen.

Hizir –  Fasten

Hizir symbolisiert in der alevitischen Mythologie die eilende Hilfe in Notsituationen. Aleviten fassten jedes Jahr  in der zweiten Februar Woche zum Gedenken an Hizir drei Tage. Es gibt einige regionale Unterschiede bezüglich der Fastenzeiten. Aber im Allgemeinen wird zwischen dem 13.-15. Februar gefastet. Über die mythologische Persönlichkeit von „Hizir“  gibt es viele Erzählungen und Legenden, die weit verbreitet sind.

Die alevitische Mythologie erzählt, dass die Heiligen Brüder Hizir und Ilyas als Prophet gelebt und das sogenannte „Abi Hayat“ (Wasser zur Unsterblichkeit) getrunken haben, um den Menschen auf dem mystischen Pfad zu helfen. Nach diesem Glauben kommt Hizir auf Land und Ilyas auf dem Meer zur Hilfe. Sie würden aber nur denjenigen helfen und sie retten, die in Not geraten sind und „vom ganzen Herzen“ um Hilfe rufen.

Einer Erzählung nach soll Hizir das erste Mal von Gefährten Noahs zur Hilfe gerufen worden sein, um das mit Menschen voll beladene Schiff bei der Seekatastrophe zu retten. Nach dem das Schiff die dreitägige Katastrophe überstanden haben soll, sollen die Geretteten drei Tage lang gefastet haben, um Hizir ihre Dankbarkeit zu erweisen. Nach einer anderen Sage wurden Imam Ali und seine Frau Fatma von Gott auf die Probe gestellt. Ihre Kinder wurden krank. Hizir soll diese kranken Kinder besucht haben. Aufgrund der Genesung ihrer Kinder haben sie auch aus Dankbarkeit drei Tage lang gefastet.

Alle Erzählungen über Hizir haben eines gemeinsam. Als Gottesfreund (Evliya) eilt er den Menschen zu Hilfe, die in Bedrängnis geraten sind und nach ihm rufen.

Hizir wird vor allem in Anatolien als ein weißbärtiger alter Mann auf einem Pferd vorgestellt. Im Volksmund wird Hizir mit seinem Pferd „ yetis ya bozatli Hizir“  zitiert. Die gläubigen Menschen rufen ihn: „Eile herbei, lieber Hizir!

Am letzten Fastentag am Abend bereiten die gläubigen Menschen eine traditionelle Speise (kavut) aus Weizen und Wasser vor, die unbedeckt über Nacht ruht. Jedes Familienmitglied wünscht sich etwas Besonderes. Man glaubt, dass die Wünsche in Erfüllung gehen, wenn Hizir vorbei kommt und von dieser Speise probiert. Diese Speise wird am nächsten Tag an den Nachbarn oder in heiligen Gedenkstätten an die Reisenden und Besucher verteilt. Während der Fastenzeit achten die Menschen sehr gründlich auf die Reinigung ihrer Häuser, sich selbst und Gemeinden. Man glaubt, dass Hizir die ordentlichen und sauberen Orte besucht.

Der Begriff
Hizir nimmt einen bedeutenden Platz im Alltag viele Aleviten ein. Die meisten halten ihre Gelöbnisse im Namen von Hizir ab und bitten um Wünsche in seinem Namen.

Am Ende der Fastenzeit wird in den alevitischen Gemeinden im Namen von Hizir ein Gottesdienst verrichtet (Hizir Cemi). Auch in Deutschland bereiten sich die Menschen in Gemeinden auf diese Feier vor. Das Fastenbrechen findet meistens in den Cem-Häusern statt. Die Menschen essen, lachen, erzählen Geschichten über Hizir und feiern gemeinsam. In allen Gemeinden herrscht während dieser Zeit ein harmonisches Beieinandersein und große Freude.

Verfasst von:

Bülent Korkmaz – Dipl. Sozialpädagoge  (Bildungsbeauftragter der Alevitischen Gemeinde Duisburg  von 2014 – 2019)

Verwendete Quellen:

  • Alevitische Gemeinde Duisburg: www.alevi-du.com.
  • Alevitische Gemeinde Deutschland e.V. (AABF), Das Alevitentum, Hrsg. AABF (verfasst von Ismail Kaplan), Köln 2004.
  • Kaptan, Remzi: Die Alevitische Lehre, Stuttgart 2016.
  • Zum Profil alevitischer Kinder-und Jugendarbeit in NRW / Herausgeber: Das Paritätische Jugendwerk NRW, Wuppertal, 2006
  • Korkmaz, Bülent: Aleviligin Inanc Ilkeleri, Istanbul 2014, Anadolu Ofset
  • Dr. Bedri Noyan: Bektaşilik Alevilik Nedir?, Istanbul 1995, Ant  Yayınları 3. Baskı.
  • Ulusoy A., Celalettin: Hünkar Haci Bektas Veli ve Alevi Bektasi Yolu, Hacibektas 1980
  • Yaman, Mehmet: Alevilik (Inanc, Edep, Erkan)